Wieso wir die Corona-Pandemie aus einer Barrierefreiheitsperspektive betrachten sollten – und wie sich (akademische) Veranstaltungen auch mit kleinem Budget barrierefreier gestalten lassen

Eines der vielleicht verständlichen, aber dennoch enttäuschenden Merkmale der gegenwärtigen, vielerorts bereits als post-pandemisch empfundenen Situation ist der Wunsch, so schnell wie möglich zur ‚Normalität‘ zurückzukehren (vgl. dazu im Blick auf die Lehre an Universitäten und Hochschulen auch das von mir herausgegebene Buch Experimente mit digitaler Lehre, S. 1–2). Dies ergibt sich in vielen Fällen aus der Erfahrung, in der Corona-Pandemie seit März 2020 eine lange Zeit großer Anstrengung hinter sich gebracht zu haben. Dieser Wunsch ist zunächst häufig auch unabhängig davon, ob jemand bestimmten Maßnahmen zur Eindämmung der Inzidenz positiv oder negativ gegenübergestanden hat, und ist Ausdruck des verständlichen Bestrebens, nun das vorherige (oder ein anderes) Leben möglichst ohne Einschränkungen fortsetzen zu wollen.

Ich möchte in diesem kurzen Beitrag vor diesem Hintergrund stattdessen eine Barrierefreitheitsperspektive vorschlagen. Eine Betrachtung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Blick auf accessibility kann dazu beitragen, das eigene Selbstverständnis und bestehende Erzählungen (über die Corona-Pandemie, aber auch ganz allgemein) weg von einer politischen Auseinandersetzung über die Vergangenheit und Gegenwart – welche Maßnahmen waren und sind zu welchem Zeitpunkt richtig oder falsch? – und hin in Richtung einer Vision für die Zukunft zu orientieren. Was können wir aus der Corona-Pandemie lernen im Blick darauf, wie wir zukünftig leben und arbeiten wollen? Unter den verschiedenen Antworten auf diese Frage finde ich persönlich vor allem all diejenigen Überlegungen interessant, die sich spezifisch damit beschäftigen, wie wir – als ein positives Lernergebnis aus der Corona-Pandemie – in möglichst vielen gesellschaftlichen Bereichen Barrieren für Inklusion und Teilhabe abbauen können, insbesondere diejenigen, welche wir vielleicht zuvor überhaupt nicht als solche wahrgenommen haben.

Die Vermeidung von Corona-Infektionen hat etwas mit Barrierefreiheit zu tun

Die engen Zusammenhänge zwischen der Corona-Pandemie und Themen der Barrierefreiheit sind mittlerweile in zahlreichen Bereichen deutlich geworden. So haben viele Menschen bereits in der unklaren Situation im März 2020, als Wissen über die Übertragungswege des Virus noch nicht vorhanden oder wenig verbreitet war, bewusst oder unbewusst von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen wie automatischen Türöffnungsschaltern profitiert. Auch im akademischen Bereich, in der Forschung und Lehre an Universitäten und Hochschulen, ist vielen Leuten über den Verlauf der letzten zweieinhalb Jahre durchaus bewusst geworden, dass die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Veränderungen und vor allem die zeitweise Umstellung fast aller alltäglichen Arbeitsabläufe auf eine Online-Kollaboration, sowie der flächendeckende Wechsel zur digitalen Lehre über mehrere Semester, zwar einerseits sicherlich zahlreiche negative Auswirkungen hatte. Andererseits waren durch all dies aber in mancher Hinsicht auch von einem auf den anderen Tag etliche Barrieren verschwunden, die das Studium sowie die wissenschaftliche Arbeit für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen bisher erschwert hatten. So konnte ein großer Teil des Studiums und der wissenschaftlichen Arbeit (außer Labortätigkeiten) nun von zu Hause und online erledigt werden, was sowohl Menschen mit Mobilitätseinschränkungen wie auch gehörlose oder blinde Menschen, die einfacher auf etablierte und ihnen vertraute assistive Technologien zurückgreifen konnten, zugute kam. Auch neurodiverse Menschen, die sich nun ihren Tagesablauf weitgehend selbst einteilen und ihre Lern- und Arbeitsumgebungen deutlich selbstständiger gestalten konnten, profitierten von der neuen Situation. Darüber hinaus stellte sich Teilhabe und Inklusion in Studium und Wissenschaft nicht nur für permanent, sondern auch für temporär oder situativ behinderte Menschen, wie Leute mit kleinen Kindern, familiären Pflegeaufgaben oder einem gebrochenen Bein als deutlich verbessert dar. Dies soll gleichzeitig nicht bedeuten, dass durch diese Entwicklungen in der Corona-Pandemie nicht auch zusätzliche und neue Barrieren geschaffen wurden, wie etwa durch psychische Belastungen in Folge von Social Distancing und erzwungener Einsamkeit (für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen und Behinderungen) sowie durch besonders zu Beginn bestehende Hürden im digitalen Raum etwa durch eine Verwendung von unzureichend auf die Bedürfnisse von blinden oder gehörlosen Menschen zugeschnittener Software. Zumindest was den letzten Punkt angeht, konnten diese Hürden dann teilweise durch Verbesserungen etwa von Videokonferenzanwendungen verringert oder weitgehend abgebaut werden. Ziel meiner Überlegungen ist nun weniger eine Bilanzierung der positiven gegenüber den negativen Auswirkungen der Extremsituation der Corona-Pandemie, sondern vielmehr, dass gerade unter einer Barrierefreiheitsperspektive sichtbar wird, dass die Frage durchaus sehr komplex ist, wer wann und wie negativ und positiv von Corona-Maßnahmen und den damit einhergehenden Veränderungen im Alltag betroffen war.

Bei all dem gerät darüber hinaus leicht aus dem Blick, dass auch die Vermeidung von Corona-Infektionen selbst ein zentrales Barrierefreiheitsthema darstellt. So tauchte in der politischen Debatte die Frage nach besonders gefährdeten oder vulnerablen Gruppen zunächst im Blick auf die ‚zu schützenden Alten‘ auf und wurde dann insbesondere in den letzten sechs Monaten unter anderem kontrovers diskutiert unter Stichworten wie „Schattenfamilien“ – Familien, in denen es zumindest eine Person gibt, für die eine Corona-Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit schwer verlaufen würde und die sich daher oft seit Beginn der Pandemie fast vollständig aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen haben. Angesichts der zwar weiterhin im Detail umstrittenen aber dennoch bereits jetzt in vielen medizinischen Bereichen ausgedrückten Sorgen über mögliche Langzeitfolgen der Corona-Infektion, die ein Großteil der Bevölkerung nun durchgemacht hat, könnten sich aufgrund einer signifikanten Zunahme von Menschen, die temporär oder sogar permanent beeinträchtigt und behindert werden, ganz neue Dimensionen der Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Debatte über Barrierefreiheit ergeben. Zumindest warnen einige Expert*innen in den Massenmedien mit Blick auf mögliche Spätfolgen einer Corona-Infektion vor einem „Tsunami von Behinderungen“ oder einer „von Behinderungen betroffenen Generation“ und fordern in bedeutenden wissenschaftlichen Zeitschriften wie Science eine Erforschung dieser neuen Krankheit. Ebenso werden Menschen durch massenmediale Aufmerksamkeit und neue Forschungsergebnisse nun sichtbarer, die bereits sehr viel länger mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in der Folge viraler Infektionen zu kämpfen haben. Insbesondere die „unsichtbare Behinderung“ des chronischen Erschöpfungssyndroms (ME/CFS, myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome) steht neu im Fokus und wird auch in vieler Hinsicht mit Long-Covid verglichen und in Beziehung gesetzt.

Der Versuch, in Universitäten und Hochschulen, am Arbeitsplatz, aber auch in Schulen, die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus oder mit anderen (respiratorischen) Krankheiten so weit möglich einzuschränken, ist aus einer Barrierefreiheitsperspektive somit in zweierlei Weise relevant: zum einen ist es – gerade wenn nun beispielsweise Studium und (wissenschaftliche) Arbeit nun wieder weitgehend ‚in Präsenz‘ stattfinden sollen (wofür durchaus einiges spricht) – eine Herausforderung, dies so zu gestalten, dass vulnerable Gruppen sowie Menschen mit Behinderungen so wenig wie möglich (erneut) ausgeschlossen werden. Denn diese vulnerablen Gruppen, aber eben auch viele andere Menschen, waren in den letzten zweieinhalb Jahren als Ergebnis bestimmter durch die Corona-Maßnahmen ausgelösten Veränderungen in dem, wie der Alltag in Studium und Arbeit ablief, zumindest in bestimmten Bereichen stärker inkludiert und konnten mehr teilhaben als zuvor. Es droht nun, in einer unbedachten Rückkehr zu einer vor-pandemischen ‚Normalität‘, dass dieser Abbau von Barrieren für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen (oft auch unbewusst und unbedacht) wieder zurückgenommen wird. Zum anderen ist eben auch mit Blick auf mögliche zukünftige Beeinträchtigungen und Behinderungen durch Long-Covid und andere chronische Krankheitsfolgen eine möglichst weitgehende Vermeidung von Corona-Infektionen noch immer eine Frage, die eng mit Barrierefreiheit verknüpft ist. Dabei geht es weniger um ein stures Festhalten an bestehenden Maßnahmen, sondern vielmehr um eine Sensibilisierung für die erreichten Fortschritte und den pragmatischen Versuch, aus der Corona-Pandemie etwas darüber zu lernen, wie beispielsweise Studium und (wissenschaftliche) Arbeit barrierefreier gestaltet werden können.

Wie lassen sich also Fortschritte in Teilhabe und Inklusion im akademischen Bereich in Studium und wissenschaftlicher Arbeit zumindest teilweise erhalten, ohne damit auch gleichzeitig negative Folgen von Corona-Maßnahmen auf Dauer zu stellen, indem etwa weiterhin vollständig auf Präsenzveranstaltungen verzichtet wird? Ich möchte zunächst noch ein konkreteres Thema ansprechen und dann einige pragmatische Vorschläge dazu machen, wie sich (akademische) Veranstaltungen weiterhin ein wenig barrierefreier gestalten lassen.

Luftqualität in Innenräumen hat etwas mit Barrierefreiheit zu tun

Ein Feld, auf dem Debatten darüber, was wir als Gesellschaft aus der Corona-Pandemie lernen sollten, unter Expert*innen bereits geführt werden, ist die Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen. So forderte schon im Mai 2021 eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftler*innen in der renommierten Zeitschrift Science, dass die Corona-Pandemie zu einem „Paradigmenwechsel“ hinsichtlich unseres Umgangs mit der Qualität der Raumluft in öffentlichen Gebäuden und am Arbeitsplatz führen müsse. So wie sauberes Wasser und zentralisierte Kanalisationen sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als erwartbare Standards durchgesetzt haben, sei nun auch die Luftqualität in Innenräumen eine neue Herausforderung, der sich die Gesellschaft zu stellen habe. Das Wissen um die Übertragung von Erkältungskrankheiten und Erkrankungen der Atemwege über Aerosole habe während der Corona-Pandemie noch einmal erheblich zugenommen, insbesondere sei aber dieses Wissen nun auch in so vielen Bereichen der Gesellschaft und im Alltag der Menschen angekommen, dass die Chance bestünde, in Zukunft entsprechende Erwartungen zu normalisieren und Standards durchzusetzen. Belüftungssysteme müssten zukünftig risikobasiert, aber gleichzeitig dynamisch an die Art der Nutzung anpassbar sein (Zahl der Menschen, Aktivitäten wie sportliches Training oder Singen), sowie durch Filtrations- und Luftdesinfektionstechnologien ergänzt werden. Ziel ist dabei nicht, jegliches öffentliche Gebäude oder jeden Arbeitsplatz zu einem medizinischen Reinraum zu machen. Vielmehr geht es um eine allgemeine Sensibilisierung der Bevölkerung für diese Dimension der Lebensqualität und eine Einführung grundlegender Standards. Eine möglichst flächendeckende Bereitstellung von Sensoren zur Messung der Luftqualität und die Zugänglichmachung dieser Informationen über Displays etwa in öffentlichen Gebäuden, drängt die Verantwortlichen zur Einhaltung von Standards und ermöglicht allen Menschen, sich informiert und im Bewußtsein der Verhältnisse für einen Aufenthalt in diesen Räumen zu entscheiden. Eine solche Erweiterung der Art und Weise, wie die Gesellschaft Informationen über sich selbst sammelt und damit auf soziale Verhältnisse einwirkt (der Soziologe Benjamin Bratton nennt diesen Kreislauf den sensing layer der Gesellschaft), kann zu einem verbesserten „kollektiven Immunsystem“ beitragen.

Auch wenn eine solche Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen keinen vollständigen Ersatz für individuelle Schutzmaßnahmen wie Masken und Tests darstellen kann, folgt sie doch einem zentralen Prinzip der Barrierefreiheit, wie die Juraprofessorin Jennifer S. Bard von der University of Cincinnati in einem Blogpost zum Thema aufzeigt. Denn indem ein solcher Paradigmenwechsel allen zugutekommen würde – und dies nicht nur durch die Verhinderung von Corona-Infektionen und eine Einschränkung der Verbreitung von anderen Krankheitserregern, sondern auch durch gesteigerte Konzentrationsfähigkeit usw. – steht nicht die Frage im Mittelpunkt, für welche (beeinträchtigten und behinderten) Menschen individuelle Anpassungen vorzunehmen sind. Vielmehr fördert eine bessere Qualität der Raumluft in öffentlichen Gebäuden und am Arbeitsplatz die Inklusion vulnerabler Menschen (sowie derjenigen, die sich ihrer möglichen Gefährdungen noch gar nicht bewusst sind) und beseitigt gleichzeitig Barrieren für alle Menschen. Diese Gedanken zum Zusammenhang von Infektionsvermeidung und Barrierefreiheit sowie zur Luftqualität in Innenräumen sollen zeigen, was es heißen könnte, jenseits einer auf die Vergangenheit und Gegenwart gerichteten politischen Kontroverse, die bisherige oder zukünftige Corona-Maßnahmen als unzulässige Verbote oder notwendige Einschränkungen bewertet, über die Frage nachzudenken, was wir aus der Corona-Pandemie im Blick auf ein barrierefreieres zukünftiges Leben und Arbeiten lernen können. Mit Blick auf akademische Veranstaltungen wie (Block-)Seminare und Tagungen möchte ich abschließend daher einige eigene Vorschläge vorstellen, wie sich die Barrierefreiheit in Studium und Wissenschaft verbessern lässt.

Einige konkrete Schritte, wie sich (akademische) Veranstaltungen im Licht der Corona-Pandemie barrierefreier gestalten lassen

Es gibt eine große Zahl an Aspekten, die für eine Veranstaltung mit möglichst wenig Barrieren relevant sein können. So hat beispielsweise die Amerikanistin Dorothee Marx, eine der Veranstalter*innen des gerade an der Universität Kiel und online auf der Plattform Zoom stattgefundenen Symposiums „Moving towards collective action: activism and academia“, einen längeren Twitter-Thread mit einer ganzen Reihe konkreter Hinweise veröffentlicht, wie diese Veranstaltung ein wenig barrierefreier gestaltet wurde:

Sie nennt automatisch generierte Untertitel (für Gebärdensprache und professionelle Simultan-Untertitel fehlt im akademischen Bereich zumeist das Geld), die Möglichkeit, online teilzunehmen, das Ernstnehmen der vorhandenen Corona-Maßnahmen, eine detaillierte Abfrage von Lebensmittelallergien und Unverträglichkeiten, das Angebot unterschiedlicher Sitzgelegenheiten, alternative Formen des Applaus, garantierte Zugänglichkeit für Personen mit Mobilitätseinschränkungen sowie ein eingehaltener Zeitplan und relativ späte Anfangszeiten.

Dorothee Marx fasst ihre Perspektive gegen Ende des Twitter-Thread noch einmal zusammen und verweist darauf, dass eine Barrierefreiheitsperspektive bzw. eine fokussierte Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden eigentlich nicht besonders kompliziert ist, aber dennoch an Universitäten weiterhin als radikal erscheint:

Es wäre zu hoffen, dass sich auch hier trotz einer schnellen ‚Rückkehr zur Normalität‘ im Blick auf diese Themen doch noch einige Lerneffekte aus der Corona-Pandemie einstellen.

Wie es auch in dem zitierten Twitter-Thread geschieht, möchte ich abschließend noch einige Punkte nennen, die sich aus Erfahrungen bei Tagungen in den letzten Monaten sowie meiner eigenen Organisation einer viertägigen Klausurtagung im Mai 2022 ergeben.

  • Im Anschluss an das im vorherigen Abschnitt zur Luftqualität in Innenräumen Gesagte ist es ziemlich überraschend, dass in Universitäten (wie auch in Schulen) die Verwendung von Luftfiltern weiterhin wenig verbreitet ist, oder dies durch den Verweis auf zu hohe Kosten grundsätzlich abgelehnt wird. Stattdessen sollten, wenn irgendwie möglich, zusätzlich zur Nutzung bestehender Lüftungsmöglichkeiten, Luftfilter eingesetzt werden, die nicht nur das Infektionsrisiko senken, sondern auch für Menschen, die etwa an Asthma leiden, eine Teilnahme erträglicher machen können. Auf lange Sicht ist zu hoffen, dass Luftfilter sich als erwartbare Ausstattung von Veranstaltungsräumen durchsetzen, ebenso wie die Qualitätsstandards und Anzeigen zur Raumluftbewertung, von denen zuvor die Rede war.
  • Egal ob Luftfilter eingesetzt werden können oder nicht, sollte auf eine gute Lüftung der Räume, in denen Veranstaltungen stattfinden, genau geachtet werden. Dies hat sich zwar im Verlauf der Corona-Pandemie einerseits als selbstverständlich etabliert, wird aber in der gegenwärtigen Situation oft schon wieder als eher zweitrangig behandelt. Vielmehr sollte eine Person des Veranstaltungsteams offiziell dafür zuständig sein, für eine möglichst hohe Luftqualität im Innenraum zu sorgen – in einem pragmatischen, den Möglichkeiten der Veranstalter*innen angemessenen Rahmen – und dies als ebenso wichtig betrachtet werden wie etwa die Bereitstellung von Wasser und Getränken.
  • Bei kleineren Veranstaltungen, insbesondere im Frühling und Sommer, könnte auch überlegt werden, diese vollständig nach draußen zu verlegen, sofern dafür die entsprechenden räumlichen Gegebenheiten (etwa eine überdachte Terrasse) vorhanden sind.
  • Eine Vermeidung von Infektionen durch das Einatmen von Aerosolen ist am effektivsten durch das Tragen von (FFP2)-Masken in Innenräumen zu erreichen. Je nach der Einschätzung des Infektionsrisikos bezüglich verschiedener Krankheiten (nicht nur Corona, sondern z.B. auch der Grippe), ist möglicherweise bezogen auf die Jahreszeit und die aktuelle Situation am Veranstaltungsort auch in Zukunft zu überlegen, wann eine konsequente Nutzung von Masken für eine Veranstaltung eine sinnvolle Maßnahme darstellt. Eine Bereitstellung von qualitativ hochwertigen FFP2-Masken, soweit dafür Geld vorhanden ist, ermöglicht es auch, prekär beschäftigte Teilnehmende oder Studierende nicht durch zusätzliche Kosten zu belasten oder vor die Wahl zu stellen, sich entweder auf eigene Kosten ausreichend zu schützen oder sich aus Kostengründen einem zusätzlichen Risiko auszusetzen.
  • Mit dem Tragen von Masken geht auch einher, dass der Versuch, einen Besuch der Veranstaltung mit möglichst geringem Infektionsrisiko zu ermöglichen, besondere Aufmerksamkeit auf die Situationen erfordert, in denen die Masken abgenommen werden müssen. Dies ist insbesondere in Kaffeepausen und beim Essen der Fall. Hierfür bietet es sich an, soweit dies irgendwie möglich ist, Außenbereiche der Veranstaltungsorte (Terrassen, Innenhöfe, Vorplätze) zu nutzen. Anforderungen an Barrierefreiheit sind auf jeden Fall nicht erfüllt, wenn zwar in einem Tagungsraum alle Teilnehmenden Masken tragen, sie diese dann aber beständig für Redebeiträge oder den Verzehr von Getränken oder Essen abnehmen. Und insbesondere falls die gleichen Personen anschließend im Nebenraum bei Kaffee oder Mittagessen längere Zeit ohne Masken zusammenstehen oder -sitzen. Das gleichzeitig klar ist, dass sich bei vielen Veranstaltungen solche Situationen nur schwer werden vermeiden lassen, können wir uns aus der Corona-Pandemie vor allem eine Sensibilität für solche Situationen bewahren. Auch könnten die Sicherstellung einer guten Belüftung oder der Einsatz von Luftfiltern hier eine Alternative darstellen.
  • Die Durchführung von Veranstaltungen als gelungene Hybrid-Veranstaltungen ist ein eigenes Thema, das hier nicht im Detail behandelt werden kann. Insbesondere diskussionsintensive Seminare oder Workshops stellen ganz eigene Anforderungen an ein erfolgreich durchgeführtes Hybrid-Format. Gleichzeitig ist bei Tagungen, die zum großen Teil aus Vorträgen und kurzen Diskussionen bestehen in den letzten zweieinhalb Jahren sichtbar geworden, dass es eine Vielzahl von Menschen gibt, die sich für ein Veranstaltungsthema vielleicht brennend interessieren, aber aus den aus verschiedensten Gründen nicht vor Ort an dieser teilnehmen können. Gerade weil die notwendige Technik für zumindest eine passive Teilnehme mit akzeptabler Ton- und oft sogar Bildqualität mittlerweile an den meisten Universitäten vorhanden oder in Tagungsräumen sogar fest installiert ist, spricht (außer bei besonders sensiblen Themen) meist wenig dagegen, eine Online-Teilnahme für Interessierte zu ermöglichen. Es ist ein Gewinn im Abbau von Barrieren, wenn der hier oft eher geringe Zusatzaufwand nicht im Rahmen einer ‚Rückkehr zur vorherigen Normalität‘ aus dem Blick gerät. Auch kann entsprechende Technik gleichzeitig für eine Berücksichtigung weiterer Aspekte von Barrierefreiheit genutzt werden, wenn etwa ein Monitor Live-Untertitel anzeigt oder das parallele Verfolgen eines Vortrags am eigenen Laptop Menschen mit Sehbeeinträchtigungen einen besseren Blick auf Vortragsfolien ermöglicht.
  • Im Vorfeld einer Veranstaltung bietet es sich an, die Teilnehmenden darauf hinzuweisen, dass besonders mit Atemwegsinfektionen und Erkältungskrankheiten eine Teilnahme vor Ort vermieden werden sollte. Besonders was diesen Punkt angeht, ist zu hoffen, dass sich gesellschaftsweit ein stärkeres Bewusstsein durchsetzen wird, dass an einer akut ansteckenden Krankheit leidende Personen eher keine Gruppenveranstaltungen besuchen, oder, wenn ihr Zustand dies zulässt, online an diesen teilnehmen sollten. Dies ist ein weiterer Grund, eine Online-Teilnahme zu ermöglichen, weil dies sowohl den Druck reduziert, vor Ort teilnehmen zu müssen oder die Veranstaltung alternativ komplett zu versäumen, als auch eine kurzfristige Reaktion auf Erkrankungen ermöglicht, ohne das Programm umplanen zu müssen. In Bezug auf Corona können im Vorfeld der Veranstaltung selbst durchgeführte oder offizielle Schnelltests zum Einsatz kommen, solange diese noch allgemein verfügbar sind. Je nach Situation, beispielsweise in Wien, oder bei kleinen Veranstaltungen an Orten, an denen günstige PCR-Tests zur Verfügung stehen, ist auch zu überlegen, ob ein Budget zur Verfügung steht, um PCR-Tests für alle Teilnehmenden zu bezahlen.
  • Dies verweist auch auf den vielleicht entscheidenden Punkt: dass wir statt einer simplen Rückkehr zur ‚Normalität‘ des akademischen Veranstaltungsbetriebs, aber auch der Präsenz-Lehre, die Erfahrungen der Corona-Pandemie vielmehr dazu nutzen sollten, in der Planung jeder Veranstaltung, die vor Ort stattfindet, genau darüber zu reflektieren, zu welchem Zweck eine kleinere oder größere Zahl von Menschen zu diesem Zeitpunkt zusammenkommen. Das bedeutet keineswegs, die große Bedeutung solcher Veranstaltungen in Frage zu stellen, sondern stattdessen, die gemeinsame Zeit in Präsenz, deren Ermöglichung oftmals einen großen Reise- und Organisationsaufwand erfordert hat, dann auch für die Art von Aktivitäten zu nutzen, die besonders gut oder ausschließlich unter diesen Bedingungen möglich sind. An die Stelle von langen Vorträgen gefolgt von extrem kurzen Diskussionen von wenigen Minuten könnten so beispielsweise kurze Impulse von wenigen Minuten treten, gefolgt von ausführlichen Diskussionen. Ebenso – wie ja auch auf solchen Veranstaltungen selbst immer wieder betont wird – sind die Pausen und Essenszeiten, in denen die Anwesenden ins Gespräch kommen können, oft die eigentlich entscheidenden Momente. Auch diese können, indem ihnen mehr Zeit eingeräumt wird, aber auch auf vielfältige andere Weisen, etwa indem größere Aufmerksamkeit darauf gerichtet wird, wie die Teilnehmenden sich während der Pausen zusammensetzen oder spontan Gruppen bilden, und dafür die entsprechenden räumlichen Möglichkeiten (Tische, Sofas, usw.) bereitgestellt werden.

Ich hoffe, dass diese Überlegungen aus einer Barrierefreiheitsperspektive zu den Zusammenhängen zwischen dem, was wir möglicherweise aus Corona-Pandemie lernen könnten und der Durchführung akademischer Veranstaltungen, inspirierend sein können und eigene Experimente anregen. Der wichtigste Lernerfolg ist dann erreicht, wenn uns diese Reflexion dazu führt, trotz der ‚Rückkehr zur Normalität‘ weiterhin darauf zu achten, Konferenzen, Tagungen und Seminare barrierefreier zu gestalten.