Ein Leitfaden durch den Dschungel der Gesetze und Verordnungen (SBG, BGG, BITV, EGovG, OZG, BFSG)

Summary

Das Thema Barrierefreiheit wird in Deutschland in vielen Gesetzen und Verordnungen geregelt. Dabei kann man als Neuling in der Materie schnell den Überblick verlieren. Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick der wichtigsten Regelungen sowie eine Einordnung geben.

SGB

Als eines der ersten Gesetze in Deutschland, welche das Thema Barrierefreiheit thematisiert, kann das „Neunte Buch Sozialgesetzbuch“ (SGB IX) angesehen werden, welches im Juli 2001 in Kraft getreten ist. Der Zweck des Gesetzes liegt verkürzt in der Förderung der gleichberechtigten Teilhabe am Leben von schwerbehinderten Menschen und in der Vermeidung von Benachteiligungen. Daher finden sich in den 241 Paragraphen hauptsächlich Regelungen über medizinische Rehabilitation sowie Teilhabe am Arbeitsleben. Weil der Fokus auf dem Sozialrecht liegt, gib es nahezu keinerlei Beschreibungen wie digitale bzw. IT-Dienstleistungen oder IT-Produkte beschaffen sein müssen, um die Teilhabe der Personen zu ermöglichen bzw. zu fördern. In §84 Hilfsmittel gibt es lediglich den Hinweis, dass den Betroffenen ein „barrierefreier Computer“ zusteht, um „durch die Behinderung bestehende Einschränkung“ am Gesellschaftsleben auszugleichen.

BGG

Diese Lücke versucht das „Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)“ zu schließen, welches im Mai 2002 in Kraft getreten ist und seitdem mehrmals aktualisiert wurde. In den 19 Paragraphen werden u.a. konkrete Lebensbereiche wie Bau und Verkehr sowie die barrierefreie Informationstechnik (§12a) genannt. Zudem finden sich Regelungen zur Verwendung der Gebärdensprache sowie Leichter Sprache. Das BGG richtet sich an alle Träger öffentlicher Gewalt, also Behörden, Körperschaften, Anstalten und Bundesorgane, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Weil das BGG ein Bundesgesetz ist, gilt es nicht automatisch für Verwaltungen auf Landesebene. D.h. jedes Bundesland besitzt ein eigenes Gesetz (z.B. BayBGG – das bayrische Behindertengleichstellungsgesetz). In dem BGG wird im Gegensatz zum SGB etwas konkreter benannt, welche digitalen Kanäle barrierefrei zugänglich sein müssen: Websites, mobile Applikationen (Apps), Intranets sowie „elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe“ inklusive der „grafischen Programmoberflächen“. Zudem wurde mit dem BGG ein Berichtswesen eingeführt, welches alle 3 Jahre (beginnend mit dem Jahr 2021) einen Bericht über den Stand der Barrierefreiheit sowie verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren der Informationstechnik. Weitere Details zu den konkreten Anforderungen, Richtlinien oder Normen zur Umsetzung finden sich jedoch nicht im BGG.

BITV

Daher empfiehlt es sich die dazugehörige Verordnung „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) zu lesen. Diese Verordnung wurde im Jahr 2011 ausgefertigt und zuletzt 2019 geändert. In der BITV wird sehr konkret beschrieben, an welchen Standards sich die Barrierefreiheit orientiert und wie bestimmte Maßnahmen, z.B. der „Feedback-Mechanismus“ umgesetzt werden müssen. Zudem werden auch Ausnahmen definiert. Auf Grundlage des BITV sind Testverfahren entwickelt worden, um die Barrierefreiheit zu überprüfen. Als Beispiel soll an dieser Stelle der öffentlich zugängliche BIK BITV-Test (Web) genannt werden, welcher die Prüfschritte, die jeweilige Durchführung sowie die genutzten digitalen Werkzeuge transparent beschreibt.

EGovG

Um interne Verwaltungsabläufe stärker zu digitalisieren, wurde im Jahr 2013 das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz – EGovG) erlassen. U.a. wurde gefordert den elektronischen Zugang zur Verwaltung zu verbessern, die elektronische Aktenführung einzuführen sowie elektronische Bezahlmöglichkeiten zu ermöglichen. Das Thema „Barrierefreiheit“ wird nur sehr kurz in §16 beschrieben. „Behörden des Bundes sollen die barrierefreie Ausgestaltung der elektronischen Kommunikation und der Verwendung elektronischer Dokumente nach § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes in angemessener Form gewährleisten“.

OZG

Im Zuge der gestiegenen Notwendigkeit digitaler Services zwischen Bürgern und Behörden ist im Jahr 2017 das „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (kurz: Onlinezugangsgesetz – OZG in Kraft getreten. Bund und Länder haben sich verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Konkret war das Ziel die über 6.000 Verwaltungsleistungen, welche in 575 OZG-Leistungsbündeln zusammengefasst wurden, bis Ende 2022 zu digitalisieren. Zum Thema Barrierefreiheit finden sich im Gesetz lediglich ein kleiner Absatz (§3): „Der Portalverbund stellt sicher, dass Nutzer … einen barriere- und medienbruchfreien Zugang … erhalten“. Anders als im BITV wurden beim OZG so genannte „Servicestandards“ mit 19 Prinzipien definiert, um Bürgerinnen und Bürger attraktive digitale Services zu bieten. Die Barrierefreiheit wurde im Prinzip 3: Barrierefreiheit, Bürgernähe und Genderneutralität festgelegt. An dieser Stelle wird die Verknüpfung zur BITV hergestellt, so dass auch für „Onlinedienste“ die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 gilt mit der Maßgabe, dass die Einhaltung der Richtlinien zur Barrierefreiheit mittels eines BITV-Tests geprüft wird.

BFSG

Von Behinderten-Verbänden wurde thematisiert und kritisiert, dass die Gesetzte und Verordnungen BGG, BITV sowie OZG nur öffentliche Träger zur Bereitstellung von barrierefreien Dienstleistungen verpflichtet. Die Privatwirtschaft wurde bisher per Gesetz nicht zur Barrierefreiheit verpflichtet. Dies Lücke wurde mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) im Jahr 2021 geschlossen auf Initiative der EU mit dem European Accessibility Act (EAA). Hersteller sind ab dem Jahr 2025 verpflichtet für ihre Produkte sowie Dienstleistungen die Barrierefreiheit zu gewährleisten. Die Bandbreite ist sehr umfassend und beinhaltet u.a. Selbstbedienungsterminals (z.B. Geldautomaten), Endgeräte wie Laptops oder Tablets sowie E-Books, Ticket-Systeme, Verkehrs- und Reisedienste. Dadurch werden Unternehmen aus den Sektoren Banking, Transportwesen (Luft, Bus, Schienen und Schifffahrt), Hersteller von Elektronikprodukten mit dem Thema Barrierefreiheit konfrontiert. Analog zum BGG empfiehlt sich die dazugehörige Verordnung zu lesen, weil in dieser die Standards als auch Umsetzungsanforderungen beschrieben werden. Diese Verordnung wurde im Sommer 2022 veröffentlicht und tritt wie das BFSG am 28. Juni 2025 in Kraft.   

Fazit

Diese bewusst kurz gehaltene Übersicht zeigt allein, wie komplex es sein kann, sich dem Thema Barrierefreiheit per Gesetz zu nähern. Weltweite Konventionen oder Standards (wie z.B. die WCAG) oder EU-Regelungen sind dabei noch nicht berücksichtigt. Es kann jedoch nicht schaden, die jeweiligen Quellen zu kennen und im Bedarfsfall schnell nachzulesen, wie die Umsetzung beschrieben ist.