Bildbeschreibungen von Bildern im www – Mehr als nur eine lästige Pflicht

Trotz aller Innovationen und Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche durch das www gibt es immer noch weiße Flecken auf der Landkarte. Was wir in der analogen Welt ganz selbstverständlich finden ist hier noch nicht angekommen:

  • Wie wäre unsere Reaktion in einer Bibliothek, wenn ein Bilderbuch nur schwarze Rechtecke anstelle farbiger Abbildungen zeigt?
  • Was würden wir verstehen, wenn von einem Film nur der Ton zu hören aber nichts zu sehen ist?
  • Wer ist bereit im Kiosk für ein Magazin zu bezahlen, dessen Titelbild anstelle einer Abbildung nur einen kryptischen Text wie „d789insersd45_Main_picture_large.jpg“ zeigt?
  • Was würden wir von Werbekampagnen halten, die sämtliche Bilder auf Plakatwänden und in Anzeigen wegfallen lassen?

Bilder sind im Internet nicht für alle zugänglich und verständlich

Visuelle Eindrücke, die für sehende Menschen im Internet selbstverständlich sind, fehlen für seheingeschränkte und blinde Besucher:innen von Webseiten, sodass ihnen häufig wichtige (visuelle) Informationen fehlen. Aus diesem Grund bekommen sie einen falschen Eindruck oder missverstehen den Kontext. Wenn Bildbeschreibungen fehlen, werden Bilder für blinde und sehbehinderte Nutzer:innen unsichtbar. Und alles nur wegen einer Zeile Code, dem Alt-Tag.

alt=“Beschreibung der Abbildung in wenigen Worten”

Dies ist der Code, der die nötigen Informationen zum Bild liefert. Denn Bildbeschreibungen, allgemein auch als Alt-Text oder alternative Texte bezeichnet, ermöglichen Menschen mit Sehbehinderungen oder Blindheit visuelle Inhalte wie Bilder und Grafiken zu verstehen. Dafür werden inzwischen die Bereits in Betriebssystem implementierte Tools wie VoiceOver oder TalkBack genutzt oder Hilfsmittel, in Form von Screenreadern.

Im Alltag sieht die Situation für Menschen mit Seheinschränkung jedoch so aus: Bilder werden aufgrund der fehlenden Beschreibung übersprungen, es werden kryptische Dateinamen vorgelesen oder automatisch generierte Texte angeboten, die entweder skurril oder sogar falsch sind.

Gute Gründe Bildbeschreibungen einzusetzen 

Dabei ist die Einbindung von Bildbeschreibungen mit den gängigen CMS einfach und gut im redaktionellen Prozesse einzubinden. Es ist eine Frage der Gewohnheit und Haltung des Webseitenbetreibers. Und es gibt viele gute Gründe Bildbeschreibungen anzubieten:

  • Gesetzliche Pflicht: Öffentliche Stellen sind durch die Die EU-Richtlinie 2102 und mit der BITV seit dem 23. September 2018 dazu verpflichtet, ihr digitales Angebot barrierefrei zu gestalten.
  • Selbstverständnis: Die Corporate Responsibility und die Kommunikationsabteilungen von den meisten Unternehmen und Organisation verbieten inzwischen jede Form von Diskriminierung 
  • Reichweite: Durch fehlende Alt-Texte werden seheingeschränkte Menschen nicht erreicht, die potenzielle Betrachter:Innen oder Kund:Innen sein können.
  • SEO: Google und Co. berücksichtigen Alt-Texte und können bei Bildersuche und Inhaltssuche besser mit entsprechenden Inhalten umgehen und die Relevanz erhöhen.
  • chat GPT: Es ist natürlich davon auszugehen, dass in Zukunft gerade das Zusammenspiel von Inhalten und Bilder viel stärker berücksichtigt wird und hier Bildbeschreibungen die richtigen und korrigierenden Hinweise geben können 

So einfach entstehen Bildbeschreibungen

Warum tun sich noch immer so viele Webseiten-Anbieter noch damit schwer ALT-Texte anzubieten? Häufig erleben wir in der Beratungspraxis, dass es falsche Vorstellungen und Angst vor Überforderung gibt. Mit dem schwer Nachvollziehbaren Effekt, lieber nichts als etwas zu tun und so ganz auf die Erstellung von Alt-Texten verzichtet wird. Dabei ist die Erstellung von Bildbeschreibungen relativ einfach und folgt einigen grundlegenden Richtlinien.

  1. Das Bild knapp und präzise beschreiben. Einleitende Texte, wie „dieses Bild zeigt“ sind nicht nötig
  2. Es soll das für den Kontext Wesentliche des Bildes erläutert werden, ohne zu lang oder zu detailliert zu sein.
  1. Es wird empfohlen Bilder in 80 bis 115 Zeichen zu beschreiben und ggbfs. ein oder zwei sinnvolle Keywords zu verwenden. 
  2. Wie eine gute Pressemitteilung sollte die Beschreibung vom Ende her kürzbar sein und weiterführende Details ergänzen
  3. Der Alt-Tag wird in den HTML-Code der Webseite eingefügt oder das Feld Bildbeschreibung im CMS genutzt.
  4. Sollte ein Bild nur ein Muster oder eine dekorative Farbfläche zeigen, kann ein Bild als Artifact ausgezeichnet werden.

Am wichtigsten ist, dass damit begonnen wird Bildbeschreibungen anzulegen und diesen Prozess in der Praxis zu verankern. In unseren Schulungen versuchen wir immer die Haltung der Webseitenbetreiber und Redaktion zu stärken. 

Um Vorbehalte und Ängste zu nehmen: es geht um nichts anderes als am Telefon einem anderen Menschen ein Bild kurz zu beschreiben.

Da nicht nur Webseiten, sondern auch auf SocialMedia sehr viel Bildmaterial verwendet wird, ist es wichtig auch hier Bildbeschreibungen zu liefern. Wo und wie das auf den einzelnen Plattformen möglich ist, beschreibt www.barrierefrei-posten.de.

Ein erster Schritt und interessante Beispiele

Wer sich stärker mit der Kultur der Bildbeschreibung auseinander setzen will und Praxisnahe Beispiele erleben will, sollte Kontakt zum Kompetenznetzwerk „Design für Alle – Deutschland“ (EDAD) aufnehmen. Wir unterstützen Organisationen in dem Thema. So haben wir zum Beispiel das Projekt „Bei Anruf Kultur“ mitentwickelt. Ganz im „Design für alle“ verzichten wir auf defizitorientierte Spezialangebote sondern bieten Mehrwerte für verschiedenste Menschen. 

Bei Anruf Kultur bietet Führungen am Telefon durch Museen und Ausstellungen an, die von daheim erlebt werden können. In Live-Führungen erhalten kleine Gruppen von ausgebildeten Museumsguides Bildbeschreibungen, die Eindruck und Inhalt der Kunstwerke präzise und trotzdem unterhaltsam vermitteln.

Wir hoffen, dass sich die Bereitschaft Bildbeschreibungen zu erstellen und einzusetzen in Zukunft weiter erhöht und so das Internet zugänglicher für alle wird.

Wie beschrieben sind wir mit dem Kompetenznetzwerk EDAD zu diesem Thema an verschiedenen Stellen aktiv und fördern gerade im Kulturbereich den Wandel zu mehr Bildbeschreibungen durch unsere Projekte.

Autor

Mathias Knigge ist Vorsitzender von EDAD und berät mit grauwert, dem Büro für Inklusion und demografiefeste Lösungen Kunden aus sämtlichen Bereichen.

Schon im Forschungsprojekt sentha untersuchte Mathias Knigge die Bedürfnisse älterer Nutzer und die Entwicklung generationenübergreifender Lösungen im Sinne des Design für Alle / Universal Design. Der Ingenieur (TU Berlin) und Produktdesigner (Universität der Künste Berlin) vertiefte das Thema und gründete 2004 grauwert – Büro für Inklusion und demografiefeste Lösungen in Hamburg. In diesem Rahmen berät er Unternehmen, unterstützt bei der Produktentwicklung, führt Produkttests und Analysen durch und vermittelt sein Wissen durch Trainings, Workshops sowie Publikationen und Vorträge. Er ist Vorsitzender des Kompetenznetzwerk EDAD (Design für Alle – Deutschland e.V.) und wirkte 2013 als Gastprofessor an der Universität der Künste Berlin zum Thema.