Usability-Tests mit Proband*innen mit Behinderungen – Empfehlungen des Projekts „Team Usability“

Summary

Im Projekt "Team Usability" erforschen und fördern wir die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in Usability-Tests von Websites oder Apps und in andere Methoden der Nutzerforschung. Dafür haben wir zahlreiche Formate mit Testpersonen mit Behinderungen erprobt, in der Regel mit User-Experience-Fachleuten aus Wirtschaft und Verwaltung. Auf Basis der Erkenntnisse haben wir den Leitfaden "Usability-Tests mit Probanden mit Behinderungen" auf der Website team-usability.de veröffentlicht. Zusätzlich haben wir einen Pool von Testpersonen mit Behinderungen aufgebaut. Team Usability wird gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Die digitale Transformation der Gesellschaft sorgt dafür, dass sich viele Dienstleistungen ins Netz verlagern. Doch wie gut klappt eine Antragsstellung mit Screenreader, eine Verbindungssuche unter Spracherkennung oder eine Terminvereinbarung unter Vergrößerung? Nutzertests mit Menschen mit Behinderungen sind hierzulande noch kaum verbreitet, entsprechend selten fließen ihre Usability-Bedarfe in die Entwicklung digitaler Services ein. Das Projekt „Team Usability“ möchte das ändern: Mit einem praxisorientierten Leitfaden zur Durchführung von Usability-Methoden und einem Pool von Probandinnen und Probanden mit Behinderungen.

Usability ergänzt Accessibility

Bei guter Nutzbarkeit für Menschen mit Behinderungen denkt man natürlich in erster Linie an Accessibility, also die Barrierefreiheit digitaler Angebote. Die Orientierung an den Accessibility-Standards, den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und der Europäischen Norm (EN) 301 549, bildet natürlich die elementare Grundlage der Nutzbarkeit. Sie allein garantiert jedoch nicht, dass digitale Angebote von Menschen mit Behinderungen auch effektiv, effizient und zufriedenstellend genutzt werden können. Usability ergänzt also Accessibility. Die Einbindung von Nutzenden mit Behinderungen wird daher auch bei der Weiterentwicklung der WCAG erwogen (vgl. WCAG 3.0, W3C Working Draft 12/2021, englischsprachig).

Usability-Bedarfe von Menschen mit Behinderungen

Accessibility wird standardorientiert und strukturiert von Test-Expertinnen und -Experten getestet. Es wird spezielle Fachkenntnis benötigt. Usability-Bedarfe von Menschen mit Behinderungen hingegen ermittelt man, indem man „echte“ Endnutzende in aufgabenbasierte Tests einbindet.

Die Usability-Bedarfe behinderter Menschen ergeben sich aus ihrem speziellen Nutzungskontext, etwa unter assistiver Technologie wie Screenreader, Vergrößerungssoftware oder Sprachsteuerung.

Ein Beispiel: Während sich sehende Menschen visuell einen Überblick über eine Webseite verschaffen, ist es gängige Strategie blinder Menschen von Überschrift zu Überschrift zu springen, um den Aufbau einer Seite auf die Schnelle zu erkunden. Wenn nun ein zentrales Widget, etwa die Verbindungssuche auf der Startseite einer Nahverkehrs-Website, keine Überschrift hat, wird eine blinde Person diese zentrale Funktion bei der ersten Erkundung der Seite nicht wahrnehmen. Umgekehrt, mit Hilfe einer versteckten, nur für Screenreader-Nutzende verfügbaren Überschrift, kann ein effizienteres Auffinden des Widgets unterstützt und damit die Usability für blinde Nutzende verbessert werden.

Forschungsprojekt „Team Usability“

Team Usability wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert und von der DIAS, einem Hamburger Forschungs- und Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt „Digitale Barrierefreiheit“, durchgeführt. Das Projekt hat – häufig mit User-Experience-Fachleuten und IT-Verantwortlichen aus Wirtschaft und Verwaltung – die Durchführung von Usability-Tests und Formaten der Nutzerforschung erprobt und technische wie methodische Empfehlungen abgeleitet. Schwerpunktmäßig wurden im Projekt sehbehinderte, blinde und mobilitätseingeschränkte Proband*innen eingebunden, die mit assistiven Technologien oder systemseitigen Anpassungen arbeiten. Übrigens: Für diese Testpersonen bildet ein weitgehend barrierefreier Testgegenstand die Voraussetzung, sich im Test auf Usability-Aspekte konzentrieren zu können.

Ein Leitfaden für die Praxis

Auf Basis der im Projekt erarbeiteten Erkenntnisse entstand der Online-Leitfaden: Usability-Tests mit Proband*innen mit Behinderungen. Er wendet sich an Usability-Professionals und IT-Verantwortliche, für die Nutzerforschung mit Menschen mit Behinderungen Neuland ist. Das Informationsangebot sensibilisiert für Vorteile, vermittelt Basiswissen zu Nutzungsweisen und Teststrategien und zeigt ganz praktisch, wie die Umsetzung funktionieren kann. Ein Fokus liegt dabei auf der Umsetzung von Remote-Usability-Tests mit Hilfsmittelnutzenden.

Der Leitfaden wird ergänzt von Praxisbeispielen, die detaillierte Einblicke in einzelne Umsetzungen geben, und die gängigsten User-Experience-Methoden abdecken, etwa moderierte Nutzertests, Tests in Eigenregie, Interviews, Fokusgruppen und Befragungen.

Informationen zu weiteren Projektaktivitäten, zum Beispiel dem Aufbau unseres Pools von Proband*innen mit Behinderungen oder der Erforschung von Strategien, Menschen mit Behinderungen in Accessibility-Konformitätstests (sogenannte Praxis-Tests) einzubinden, finden Sie unter team-usability.de.