Accessibility-Overlays – alles gesagt

Über Accessibility-Overlays wurde in den letzten Wochen und Monaten bereits viel geschrieben. Abgesehen von Eigenwerbung, größtenteils schlecht recherchierten Presseartikeln und PR in eigener Sache, setzen sich alle anderen Veröffentlichungen sehr kritisch mit Accessibility-Overlays auseinander. Diese Veröffentlichungen stammen von Accessibility-Experten, Menschen mit Behinderung in eigener Sache und Juristen. Ich selbst habe auch schon mehrere Artikel dazu geschrieben. Der Tonus aller Veröffentlichungen zu Accessibility-Overlays ist gleich: sie sind sinnlos, redundant und kontraproduktiv.

Aber was sind Accessibility-Overlays? Kurz gesagt, Accessibility-Overlays sind ein Sammelbegriff für Technologien, mit denen automatisch die Barrierefreiheit einer Website oder Web-App hergestellt werden soll, indem Code von Drittanbietern (typischerweise JavaScript) „eingebracht“ wird. Beworben werden solche Overlays in der Regel mit dem Buzzword „Künstliche Intelligenz“. Einen sehr ausführlichen und sachlichen Artikel über diese Technologie hat Brad Henry von TPGi (früher bekannt als The Paciello Group) unter der Überschrift „Accessibility Overlays in Digital Contentgeschrieben. Als Einstieg sicherlich auch sehr hilfreich. 

Accessibility-Overlays – das ultimative Fact-Sheet

Karl Groves hat sich im März 2021 die Mühe gemacht, ein wirklich umfassendes Overlay-Fact-Sheet zu formulieren und zu veröffentlichen. Er lässt viele Menschen mit Behinderung zu Wort kommen und beschreibt ausführlich sein klares Urteil: „No overlay product on the market can cause a website to become fully compliant with any existing accessibility standard“. Das Overlay-Fact-Sheet endet mit dem Manifest „Wir werden niemals ein Overlay befürworten, empfehlen oder integrieren, das sich selbst trügerisch als automatisierte Compliance-Lösung für Barrierefreiheit vermarktet.“ Dieses Manifest haben mittlerweile weit über 300 internationale Experten und Menschen mit Behinderung unterschrieben: https://overlayfactsheet.com/.

Accessibility-Overlays funktionieren nicht

Auf der Seite mit dem selbsterklärenden Namen „overlaysdontwork“ hat Karl Groves (ja, der schon wieder) eine ganze Menge Beispiele zusammengestellt, an denen Accessibility-Overlays scheitern müssen. Die Beispiele sind bebildert, ausführlich beschrieben und entlarven die falschen Versprechungen von Accessibility-Overlay. Machen Sie sich doch selbst mal ein Bild: https://overlaysdontwork.com/

Barrierefreiheit ist ein Produktversprechen

Unter der Überschrift „Günstig oder kostenlos – barrierefrei mit Künstlicher Intelligenz (KI)?“ habe ich mich selbst ausführlich mit Accessibility-Overlays befasst und den Zusammenhang zwischen dem Produktversprechen „Barrierefreiheit“ und den klar definierten, gesetzlichen Mindestanforderungen für Barrierefreiheit in Europa beleuchtet. Es geht um die Frage, was ein Kunde erwarten darf, wenn ein Produkt oder eine Firma BITV-Konformität oder Barrierefreiheit entsprechend der gesetzlichen Anforderungen oder grundsätzlich vollautomatische Barrierefreiheit verspricht. Lesen Sie auch den Vorgängerartikel „Plugins für Barrierefreiheit – BITV-konform?

Was sagen Menschen mit Behinderung zu Overlays? 

Im Januar 2021 führte WebAIM eine Anwender-Umfrage für Barrierefreiheit im Internet durch. Insgesamt ergab die Umfrage über 750 valide Rückmeldungen. Man kann die Umfrage also getrost als repräsentativ bezeichnen. Eine Frage war: „Wie beurteilen Sie die Effektivität von Overlays, Plugins oder Accessibility-Widgets, die automatische Änderungen an Webseiten vornehmen?“ Die Antwort hätte nicht deutlicher ausfallen können: „eine große Mehrheit (67 %) der Befragten bewertet diese Tools als überhaupt nicht oder nicht sehr effektiv. Befragte mit Behinderungen hielten von diesen Tools sogar noch weniger: 72 % bewerteten sie als überhaupt nicht oder nicht sehr effektiv. Siehe: https://webaim.org/projects/practitionersurvey3/#overlay. Auch aus der Sehbehinderten- und Blinden-Community kommen Beschwerden gegen Overlay-Lösungen. Haben Girma, Behindertenrechtsaktivistin, Bestseller-Autorin und erste taubblinde Absolventin der Harvard Law School warnt in den Sozialen Medien vor Overlay-Lösungen: „Avoid #AccessiBe & similar services claiming to use #AI to make websites accessible. Over 300 #accessibility experts & allies have signed this statement describing how these services hurt #blind & other #disabled people.“

Experten äußern sich zu Accessibility-Overlays (und KI)

Wie gesagt, über Accessibility-Overlays wurde bereits viel geschrieben, allerdings zumeist nicht auf Deutsch. Um nicht alles zu wiederholen, finden Sie nachfolgend eine sorgfältig kuratierte Linkliste mit ausführlichen und klaren Aussagen zu den falschen Versprechungen von automatischen Wunder-Widgets. Vielleicht noch ein Hinweise, in den nachfolgenden Artikeln wird sich zumeist auf den ADA (Americans with Disabilities Act) bezogen. ADA ist in den USA in etwa das, was in Deutschland BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) und LGG sind.